- Unsere Geschichten
- Features
- Vom Trauma zur Transformation: Wie ein Mann durch Dialog zu Glauben, Heilung und Liebe fand
Vom Trauma zur Transformation: Wie ein Mann durch Dialog zu Glauben, Heilung und Liebe fand
„Gemeinschaften leiden nicht nur unter den Auswirkungen der Wut gebrochener Männer, sondern auch unter den zu wenigen Stimmen geheilter Männer“ – Krish
Auf den ersten Blick ist Krish Umar Illangovan – den die meisten als Krishna Krish kennen – vieles: Logistiker, tamilischer Muslim, Aktivist, Schriftsteller, Redner und Programmkoordinator für Jugendorganisationen in Malaysia. Hinter diesen Titeln verbirgt sich jedoch eine inspirierende Reise des persönlichen Wachstums und der Sinnsuche, die in Stille beginnt und in einem Chor der Verbundenheit, Heilung und Liebe endet.

Es ist eine Geschichte, die sich über Länder hinweg erstreckt, von Dörfern bis zu Städten, von Kastendiskriminierung, Traumata und generationenübergreifenden Wunden bis hin zur spirituellen Suche und schließlich zu einer zielgerichteten Begegnung mit der Welt des interreligiösen und interkulturellen Dialogs (IRD/ICD) – einer Welt, in die Krish durch KAICIID eingetreten ist und die ihn nie mehr losgelassen hat.
Die Wunde hinter der Stille
Krishs Geschichte beginnt nicht mit seiner Karriere oder seiner Bekehrung, sondern mit seiner Zerrissenheit. Er wurde in Kampung Loke Yew geboren, einem marginalisierten tamilischen Dorf am Rande von Kuala Lumpur, Malaysia, das heute nicht mehr existiert. Als seine Familie in einen Vorort der Stadt zog, war er neun Jahre alt – eine einschneidende Veränderung für einen kleinen Jungen. Aufgewachsen in einem einkommensschwachen Haushalt ohne Vater in Kuala Lumpur, erlebte Krish hautnah mit, was passiert, wenn Männern nicht beigebracht wird, über Gefühle zu sprechen.
Krishs Familie entstammt dem Volk der Paraiyar in Sevalur, einem Dorf in Tamil Nadu, Indien. Eine Gruppe, die im Kastensystem als „Unberührbare” klassifiziert wird. Die Diskriminierung der Paraiyar ist so stark, dass sich der englische Begriff „social pariah” (Ausgestoßener) und das Verhalten, solche Menschen zu meiden, von ihrem Namen ableiten.
„Ich bin in einer traumatischen Umgebung aufgewachsen, nicht nur meiner eigenen, sondern auch der meiner Vorfahren. Es gab einen Mangel an Dialog, einen Mangel an Kontakt, einen Mangel an Präsenz. Die Männer waren gebrochen, aber schwiegen.“
Sein erster Schritt zur Heilung erfolgte im Jahr 2015, als er durch eine ethnisch geprägte Organisation zum Aktivismus kam. Er dachte, dass gemeinnützige Arbeit ihm womöglich Erleichterung von seinem erdrückenden Trauma verschaffen könnte. Das half zwar, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Erst 2019, als er seinen Vater zu einem Besuch in dessen Heimat Tamil Nadu begleitete, erlebte er das Kastensystem in der Realität. Die Geschichten seines Großvaters erwachten in diesem Moment in seinem Kopf zum Leben. Krish verstand intuitiv, was seine Familie als Ausgestoßene erlebt hatte und welchen Herausforderungen sie sich stellen musste, bevor sie wegen ihrer Identität als „Paraiyar-Pariah” nach Malaya (wie Malaysia damals hieß) auswanderte. Nach dieser Erfahrung begann er, alles in Frage zu stellen.
„Dieser einwöchige Besuch veränderte mein Leben. Er ließ mich nicht mehr los. Er veranlasste mich zu fragen: Warum werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert? Wie möchte ich darüber sprechen? Helfe ich nur „meinem Volk”? Oder kann ich darüber hinausgehen?“
Krish entschied sich, seine Komfortzone zu verlassen. Er begab sich auf unbekanntes Terrain. In multikulturelle, multireligiöse Räume. In den Dialog.
Die Pandemie, der Stift und ein Portal
Als COVID-19 die Welt lahmlegte, öffnete sich Krish.
Er wandte sich dem Schreiben zu und veröffentlichte seine Gedanken zu Glauben, Identität, Gerechtigkeit und Heilung in Artikeln auf seinem Blog storiesoftm.com. Insbesondere ein Beitrag mit dem Titel „Palästina ist keine religiöse Frage – es ist eine humanitäre Krise“ schlug in den sozialen Medien hohe Wellen. Aus tamilischer Sicht traf er einen Nerv. Der Beitrag wurde über 8.000 Mal geteilt.
Unter den Leserinnen und Lesern war auch Dr. Alwani Ghazali, Professorin und KAICIID Fellow, die sich an ihn wandte. Ihre Botschaft war einfach, aber eindringlich: „Ich sehe dich. Sprich mit uns. Komm zu uns.”
Diese Verbindung wurde zu einem Portal.
Glaube im Dialog und Dialog im Glauben
Anfang 2023, nach Jahren der spirituellen Suche, konvertierte Krish still und leise zum Islam. Es war eine zutiefst persönliche Entscheidung. Aufgewachsen in einem strenggläubigen Hindu-Haushalt, hielt er seine Konversion geheim. Er wusste, dass dieses Thema in Malaysias religiösem Umfeld gesellschaftlich umstritten war.
Doch dann kam eine weitere Einladung, diesmal zur Teilnahme an der KAICIID-Konferenz „Dialogue Cities“ in Bangkok. Nur wenige Wochen nach seiner Konversion stand Krish plötzlich globalen Führungskräften, Mönchen, Priestern, Imamen, Rabbinern und Jugendlichen aus ganz Südostasien gegenüber.

„Dieses Ereignis gab mir Mut. Zum ersten Mal sah ich den Dialog nicht als Debatte, sondern als Heilung. Ich erkannte, dass ich über meine Konversion sprechen konnte, nicht um zu überzeugen, sondern um eine Verbindung herzustellen.“
Was folgte, war eine persönliche Renaissance. Krish begann, Dialoge mit Kolleginnen, Freunden und Familienmitgliedern zu führen – sanft, demütig, ehrlich. Die Menschen hörten zu. Stellten Fragen. Weinten. Umarmten sich. Lernten.
Bei einem dieser Gespräche lernte Krish Nur Atiqah Talkah kennen, eine junge malaysische muslimische Anwältin und Jugendleiterin. Sie fanden eine gemeinsame Basis in Literatur, Recht, sozialen Auswirkungen und Identitätspolitik. Aus einem Dialog wurden tausend. Im Februar 2025 verlobten sie sich.
Es waren unsere Werte, unser gegenseitiger Respekt, es passte einfach zwischen uns.
KAICIID und die Arbeit der Wiedergutmachung
Krishs Reise endete nicht mit seiner persönlichen Transformation, sondern führte zu konkretem Handeln.
Seit 2023 ist er einer der wichtigsten Moderatoren, Trainer und Ansprechpartner für Jugendliche im Rahmen von KAICIIDs Initiative „Jugendliche für Menschlichkeit in Südostasien“ (SEA Y4H). Von Bangkok über Yogyakarta bis nach Davao hat er zur Gestaltung interreligiöser und interkultureller Workshops, strategischer Planungen und transformativer Storytelling-Programme beigetragen.

Im März 2025 startete er seine eigene Initiative, das Programm „Understanding Men“ (Männer verstehen), ein soziales Interventionsmodell zur emotionalen Heilung durch Dialog. Die Initiative ist eine Basisbewegung als Reaktion auf die emotionale Stagnation von Männern in der malaysischen Gesellschaft, geprägt von Krishs eigener Erziehung und gestützt durch die Instrumente von KAICIID.
Mit Unterstützung einer KAICIID-Förderung und seines wachsenden Netzwerks von Aktivistinnen und Aktivisten organisiert Krish nun Community-Dialoge, Kampagnen zur Sensibilisierung für psychische Gesundheit, Vorträge sowie interreligiöse, interkulturelle und generationsübergreifende Unterstützungsgruppen und Storytelling-Workshops, die Männern helfen sollen, ihre Verletzlichkeit auszudrücken und Resilienz aufzubauen.

„Uns wird beigebracht, zu kämpfen oder zu schweigen. Aber was wäre, wenn wir stattdessen zuhören würden?“ fragt er. „KAICIID hat mir das Modell gegeben. Ich wende es nur in meinem eigenen Kontext an.“
Der Dominoeffekt
Krishs Einfluss ist unverkennbar. Seine Arbeit hat verschiedene Gemeinschaften erreicht: von muslimischen über hinduistischen, christlichen und buddhistischen Gruppen bis hin zu Jugendlichen, Älteren, Lehrkräften und NGOs. Er wurde eingeladen, an Universitäten, Schulen, Foren und Regierungsveranstaltungen zu sprechen, wo er die Sprache des Dialogs in Themen wie Jugendbildung, Stärkung der Rolle der Frau, nationale Sprachidentität, Förderung der Einigkeit, psychische Gesundheit von Männern und Solidarität mit Palästina einfließen ließ.

Krish wird im Rahmen des Volunteer Development Award Programms ausgezeichnet.

Krish nimmt an einem Runden Tisch über Bahai-Bildung teil.
„KAICIID hat mir gezeigt, dass Dialog keine Agenda ist. Er ist eine Einladung zum Austausch“, sagt Krish.
Eine Einladung, die für Krish alles verändert hat. Seinen Glauben. Seine Arbeit. Seine Stimme. Sein Herz.
Blick nach vorn, Blick nach innen
Heute baut Krish sein Programm „Männer verstehen“ weiter zu einem reproduzierbaren Modell für emotionale Intelligenz, interreligiöse Empathie und kulturelle Heilung aus. Er sieht das Potenzial, es auf die gesamte ASEAN-Region und möglicherweise sogar weltweit auszuweiten.
Seine Botschaft an KAICIID?
„KAICIID hat mir gezeigt, dass Unterschiede keine Gefahr darstellen. Dass Dialog keine Schwäche ist. Dass Liebe politisch sein kann. Und dass die Stimmen geheilter Männer zu unserem mächtigsten Werkzeug werden können.“
Friedensförderung benötigt heute mehr als nur technische Lösungen; sie erfordert eine inklusive,…
