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Interreligiöse Führungspersönlichkeiten, Politikexpertinnen und -experten diskutieren auf dem Interreligiösen G20-Forum 2020 über die ethische Dimension des Klimawandels

17 Oktober 2020

Die drohenden Gefahren des Klimawandels sollten Glaubensorganisationen und Gesetzgebung anspornen, sich mit den potenziell katastrophalen Auswirkungen auf gefährdete Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt auseinanderzusetzen. Diese Meinung vertreten religiose Führerinnen und Führer, politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie weitere Fachleute, die am Freitag auf dem Interreligiösen G20-Forum virtuell versammelt waren.

In der Eröffnungsplenarsitzung am 4. Tag des Interreligiösen G20-Forums diskutierten Hunderte Religionsführerinnen und -führer, politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger und weitere Fachleute darüber, wie religiöse und interreligiöse Organisationen Maßnahmen gegen die globale Erwärmung ergreifen können.

Das Interreligiöse G20-Forum, das heute Samstag zu Ende geht, wird von KAICIID und seinen Partnerorganisationen, der Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen (UNAOC), der G20 Interfaith Association und dem Nationalen Komitee für interreligiösen und interkulturellen Dialog Saudi-Arabiens, zum ersten Mal in seiner Geschichte virtuell durchgeführt.

„Das Königreich Saudi-Arabien ist bestrebt, die natürlichen Ressourcen zu erhalten sowie ökologische Nachhaltigkeit und Wassersicherheit zu erreichen“, so Abdulrahman Abdulmohsen A. AlFadley, Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Saudi-Arabien. „Das Land ist bestrebt, mit seinen religiösen und humanitären Grundsätzen zur Ernährungssicherheit, zum Schutz der Ökosysteme und zur Lebensqualität im Allgemeinen beizutragen.“

„Ich glaube, dass die ethischen Dimensionen des Klimawandels stärkeres Gewicht in der globalen Debatte haben sollte.“, meint Aksel Jakobsen, Staatssekretär und stellvertretender Außenminister in Norwegen.

Er warnte, dass der Klimawandel bis zum Jahr 2030 bis zu 120 Millionen Menschen mehr in die Armut treiben könnte. „Die Wissenschaft zeugt, dass der Klimawandel in einem alarmierenden Tempo voranschreitet und menschliche Aktivitäten die Hauptursache dafür sind. Der Klimawandel verschärft Armut sowie Ungleichheit und löst neue Gefahren aus. Tatsächlich droht er die letzten 50 Jahre des Fortschritts in den Bereichen Entwicklung, globale Gesundheit und Armutsbekämpfung zunichte zu machen.“

Der Klimawandel hat katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt und die Wirtschaft in der ganzen Welt. Die aktuellen Waldbrände in Kalifornien wurden durch die globale Erwärmung noch verschlimmert. Eine neue Studie warnt davor, dass die Arktis „ein abruptes Klimawandelereignis“ durchlebt, das wahrscheinlich zu dramatischen Veränderungen führen wird. Letzten Monat wurde berichtet, dass ein großes Stück Schelfeis in Grönland wegen warmen Wassertemperaturen abgebrochen ist.“

„Wir sind mit einer tragischen globalen Nahrungsmittelknappheit, einer globalen Landknappheit und einer globalen Wasserknappheit konfrontiert, aber am kritischsten ist die globale Bewusstseinsknappheit“, warnte Dr. Sadhvi Bhagawati Saraswati, Generalsekretär der Globalen Interreligiösen WASH-Allianz.“ Als Menschen des Glaubens und als Führungspersonen des Glaubens haben wir die Möglichkeit, das Leben bewusst zu verkörpern und zu lehren. In jeder Minute entscheiden wir uns für die Kernthemen unseres Glaubens: Mitgefühl, Liebe, Gewaltlosigkeit und Sorge für die Erde.

Weitere Vortragende bei der gestrigen Plenarsitzung waren Seine Eminenz Metropolit Emmanuel Adamakis von Frankreich, Exarch des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel und Mitglied des KAICIID-Direktoriums; Dr. Juliette Biao Koudenoukpo, Regionaldirektorin für Afrika beim UN-Umweltprogramm (UNEP); Rev. Fletcher Harper, Exekutivdirektor von GreenFaith, Margaritis Schinas, Vizepräsident der Europäischen Kommission mit dem Ressort "Förderung unserer Europäischen Lebensweise" und Rabbiner Awraham Soetendorp, Präsident von Green Cross Netherlands.

Im Jahr 2018 warnten führende Klimaforschende der Welt davor, dass wir nur noch 10 bis 12 Jahre haben, um die globale Erwärmung auf ein Maximum von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Temperaturen über 1,5°C könnten die Gefahren von Dürre, Überschwemmungen, extremer Hitze und Armut für Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt erheblich erhöhen. Die Autorinnen und Autoren des Berichts vom UN Intergovernmental Panel on Climate Change meinen auch, dass dringende Veränderungen erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen, das in der Pariser Vereinbarung festgelegt wurde. Dabei haben sich Staaten verpflichtet, den Temperaturanstieg zwischen 1,5°C und 2°C zu halten.

„Die ökologischen Herausforderungen stehen nicht nur im Zusammenhang mit der Globalisierung. Ich würde auch sagen, dass sie geopolitischer, wirtschaftlicher und philosophischer Natur sind. Kirchliche Institutionen haben die wichtige Aufgabe, das Bewusstsein für die Gefahren der Zerstörung der natürlichen Umwelt zu schärfen“, so Seine Eminenz Metropolit Emmanuel Adamakis von Frankreich, Exarch des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel und Mitglied des KAICIID-Direktoriums.

„Um die vielen Hindernisse zu überwinden, die unsere Fokussierung auf den Klimaschutz und unsere Pläne stören, muss jede Entscheidung, jede Investition, jede Aktion auf den Werten der Selbstlosigkeit und dem Zweck beruhen, viele Menschen zu erreichen“, meinte Dr. Juliette Biao Koudenoukpo, Regionaldirektorin für Afrika beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP).

Die Plenarsitzung endete mit einer Frage-und-Antwort-Runde, in der Rev. Fletcher Harper, Exekutivdirektor von GreenFaith, die Anwesenden ermutigte, sich in theologischen Fragen, aber auch in Lösungen für den Klimawandel wie erneuerbare Energiequellen hervorzutun.

„Halten Sie Ihre heiligen Schriften in der einen Hand und die Tageszeitung in der anderen. Damit Sie einen moralischen Beitrag zum öffentlichen Diskurs über die genannten Themen abgeben können. Sprechen Sie nicht nur über die Themen und zitieren Sie nicht nur heilige Schriften, sondern beginnen Sie einen Dialog darüber. So helfen Sie Menschen zu verstehen, warum diese Themen als moralische und religiöse Fragen von Bedeutung sind.“

Das Interreligiöse G20-Forum ist der Höhepunkt eines monatelangen Konsultationsprozesses zwischen Hunderten religiösen Führerinnen und Führern, politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern, Fachleuten, Vertreterinnen und Vertretern religiöser Organisationen aus 70 Ländern auf fünf Kontinenten. Sie arbeiten zusammen, um gemeinsame Lösungen für Probleme zu diskutieren und zu finden. Die Themen reichen vom Schutz der globalen Umwelt über den Zugang zu Bildung und die Gleichstellung der Geschlechter bis hin zur Bekämpfung von Hassrede und COVID-19.

Auf die Plenarsitzung folgten Podiumsdiskussionen über den Schutz ökologischer Räume, die Bedeutung von Partnerschaften in den Bereichen Klimawandel und Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und religiöse Rechte.

Ökologische Herausforderungen: Schutz des Regenwaldes und zielgerichtetes Handeln zum Schutz der Umwelt

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion über ökologische Herausforderungen sprachen sich für sofortige Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft bei Umweltschutzplänen aus. Sie wiesen auf die Probleme hin, die die Klimakrise weltweit hervorgerufen hat.

„Wir leben in einer vernetzten Welt. Eine Dürre oder Überschwemmung in einem Teil der Welt kann die Versorgungsketten unterbrechen oder die Warenmärkte in einem anderen Teil der Welt verschieben. Das kann schwerwiegende Folgen für die Armen und Verletzlichen haben“, warnte Dr. Iyad Abumoghli, Direktor der Faith for Earth Initiative und Leitender Politikberater beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP).

Laut Marylita Poma, Kommunikationsbeauftragte der Interreligiösen Regenwald-Initiative, muss den indigenen Gemeinschaften des Planeten, die den Gefahren des Klimawandels unmittelbar ausgesetzt sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Poma forderte auch glaubensorientierte Organisationen auf, sich für die Anliegen junger Menschen einzusetzen und ihre Bemühungen in der Umweltpolitik zu unterstützen, da Taten nicht länger aufgeschoben werden können. „Heute sind junge Aktivistinnen und Aktivisten die größte Bewegung, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt. Wir sind nicht mehr die Zukunft, denn der Klimawandel ist jetzt unsere Gegenwart.“

Hilfreiche Partnerschaften zur Bekämpfung des Klimawandels

Die Gäste der zweiten Diskussion sprachen über die Herausforderungen, Glaubensgemeinschaften in Umweltschutzinitiativen einzubeziehen, da deren Glaubwürdigkeit und Wissen oft in Frage gestellt werden.

Laut Kiran Bali, dem Vorsitzenden von URI Global Council of Trustees, können Glaubensgemeinschaften dies durch evidenzbasierte Arbeit und durch das Erlernen der Grundlagen der Politik verändern. Er nannte ein aktuelles Beispiel aus dem Vereinigten Königreich, wo sich Glaubensgemeinschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammengeschlossen haben, um Kohlenstoffemissionen und Treibhausgase zu reduzieren. Gemeinsam erarbeiteten sie konkrete Pläne für politische Reformen und setzten klare Ziele, um ihre Gemeinschaft bis 2038 kohlenstoffneutral zu machen.

Diese Art von Partnerschaften sind nach Ansicht von Prof. Auwal Farouk Abdussalam, KAICIID Fellow und außerordentlicher Professor am Geographischen Institut der Kaduna State University in Nigeria, von großer Bedeutung, da sie dafür sorgen, dass Veränderungen sowohl von oben nach unten zur Basis als auch umgekehrt stattfinden.

„Wir haben die religiösen Persönlichkeiten sowie Menschen aus Wissenschaft und Politik. Wenn man sie in einem Raum versammelt und bittet, eine Lösung zu finden, dann ist das eine wirklich brauchbare Lösung. Denn sie lässt sich auf Basis- und Gemeindeebene anwenden. Wir alle wissen, dass religiöse Führerinnen und Führer das Bindeglied sind.“

Rechtsstaatlichkeit, Religions- und Menschenrechte

Die Gäste der dritten Podiumsdiskussion sprachen über Rechtsstaatlichkeit und forderten die Religionsgemeinschaften auf, in Bezug auf grundlegende Menschen- und Religionsrechte zu kooperieren.

Die Anwesenden meinten auch, dass Dialog und gegenseitiger Respekt während der aktuellen Pandemie unbedingt notwendig ist.

„Die Situation der muslimischen und jüdischen Gemeinden in Europa ist zwar allgemein beunruhigend, hat sich aber durch COVID-19 noch weiter zugespitzt. Sie wissen, dass es insbesondere in den sozialen Medien absurde Behauptungen über ihre Rolle bei der Verbreitung des Virus gab,“ sagte Prof. Michael O'Flaherty, Direktor der EU-Agentur für Grundrechte.

Laut Claudio Epelman, Exekutivdirektor des Lateinamerikanischen Jüdischen Kongresses, müssten in Fällen wie diesen Religionsgemeinschaften füreinander einstehen, Falschinformationen bekämpfen und für Religionsfreiheit und Pluralismus kämpfen.

„Ich glaube, wir sollten die Ansicht verbreiten, dass sich unsere Rechte 'im Anderen' widerspiegeln müssen.“