Direkt zum Inhalt

Editorial: Das unglaubliche Versprechen Nigerias

08 Juli 2019

In Nigeria bauen das Internationale Dialogzentrum (KAICIID) und seine lokalen Partner eine Friedensstruktur auf, indem sie gezielte Kampagnen zur Prävention von Hassreden durchführen, für gewaltfreie Wahlen eintreten, regionale Friedensausschüsse bilden, die als Frühwarn- und Reaktionssysteme dienen und die Zuschüsse für innovative Peacebuilding-Initiativen bereitstellen. Dr. Safiullah Munsoor, Programmdirektor von KAICIID, betrachtet die aktuelle Situation Nigerias und erläutert seine Hoffnungen für die Zukunft des Landes.

Als einzige zwischenstaatliche Organisation mit einem Mandat für den interreligiösen Dialog ist KAICIID ein globaler Vorreiter auf dem Gebiet des Peacebuilding. Mithilfe seiner einzigartigen Programme zum Capacity Building und zur Interessenvertretung erstreckt sich die Arbeit der Organisation über 50 Länder. In den vier Schwerpunktländern von KAICIID, zu denen die Arabische Region, die Zentralafrikanische Republik, Nigeria und Myanmar gehören, hat das Zentrum ein integriertes Paket kontextspezifischer Ansätze, Methoden und Tools zur Beilegung und Minimierung von Konflikten erstellt und Komponenten geschaffen, die für den Aufbau einer Friedensstruktur erforderlich sind. 

Nigeria, eine ölproduzierende Nation mit einer der größten Volkswirtschaften Afrikas, hat paradoxerweise ein hohes Maß an absoluter Armut. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) berichtet, dass schätzungsweise 50 % der Bevölkerung von Armut betroffen sind, wodurch sich das Land auf dem Index für menschliche Entwicklung auf Platz 157 von 189 Ländern und Gebieten einreiht. 

Mit einer Bevölkerung von 186 Millionen Einwohnern (schätzungsweise 200 Millionen im Jahr 2019) und über 250 ethnischen Gruppen scheint Nigeria viel mehr ein Kontinent als nur eine Nation zu sein. Obwohl die muslimisch-christliche Zusammensetzung in Nigeria fast gleich groß ist, besteht jede der Glaubensrichtungen aus zahlreichen Konfessionen, was die ohnehin heikle Situation noch weiter verschärft.

Darüber hinaus manipulieren Stammes- und ethnische Konflikte die religiöse Grundstimmung für ihre eigenen Interessen. Verschärft werden sie durch die radikale Gruppe Boko Haram im Nordosten Nigerias und den Bauern-Nomaden-Konflikt, der in verschiedenen Teilen des Landes tobt.

Doch trotz Sicherheitsproblemen in Nigeria scheint das Leben weiterzugehen, was auf die Widerstandsfähigkeit der Menschen hindeutet. Abuja, die kosmopolitische Metropole mit ihren zunehmenden Höhen und Tiefen und einer Bevölkerung von 6 Millionen Menschen, scheint geradezu zu pulsieren. Die Energie und Begeisterung der Buben und Mädchen während sie ihre kleinen Handelsgeschäfte entlang der Straßen und darüber hinaus führen, ist bemerkenswert. Für mich ist dies ein Indiz dafür, dass das Potenzial der Jugend genutzt und entwickelt werden kann, um eine Generation zukünftiger Führungspersönlichkeiten und Unternehmer auszubilden. Es bedarf eines nationalen und integrierten Systems, um jungen Menschen einen freien Zugang zu Finanzmitteln sowie zum Capacity Building zu ermöglichen und ihr gottgegebenes Potenzial auszuschöpfen.

Nigeria verfügt darüber hinaus über immense Möglichkeiten in Bezug auf seine natürlichen Ressourcen und seine ausgebildeten Arbeitskräfte. Dieses Potenzial kann jedoch nur genutzt werden, wenn es Frieden und Harmonie im Land gibt. Dieser Zeitpunkt beschreibt die Gelegenheit, in dem KAICIID und seine Marke des interreligiösen Dialogs effektiv genutzt werden können, um die Grenzen zusammen mit ihren nationalen und lokalen Partnern zu überwinden.

Das Zentrum gelangte zu einem historischen Durchbruch, indem es durch das Interreligious Dialogue Forum for Peace (IDFP) ein Bündnis hochrangiger christlicher und muslimischer Vertretung schmiedet. Die Plattform besteht aus 100 lokalen Vertretern, mit patriätischer Repräsentanz zwischen Christen und Muslimen. Nachdem ich mit vielen von ihnen während einer kürzlichen Mission interagiert hatte, wurde ich noch einmal an das Potenzial und das Engagement erinnert, das diese Vertreter mit sich bringen.

Es war eine Freude zu sehen, wie sich Muslime und Christen trotz ihrer Unterschiede miteinander austauschen, was an die Worte der göttlichen Schriften erinnert, „dass wir euch als Nationen und Stämme geschaffen haben, damit ihr einander kennenlernt“ (Al-Quran, 49:13) und das „Brot brecht“ (Bibel, Kapitel 2:42-46). Gemeinsam diskutierten sie Pläne für die Zukunft, die ein Leuchtfeuer der Hoffnung darstellten.

Das IDFP ist eine beispiellose Initiative, die durch ein definiertes Mandat, Regeln und Vorschriften und seit 2017 auch als anerkannter Rechtsträger gestärkt wird. Mitglieder des IDFP beraten, wenn Konflikte und Gewalt ausbrechen, geben Erklärungen ab, führen Fürsprache-Besuche durch und helfen beim Capacity Building im ganzen Land. Seine Mitgliedschaft bietet einen einzigartigen Kanal für die Bereitstellung von Programmen, die auf die Schaffung von Belastbarkeit und Frühwarnsystemen abzielen. Das IDFP entwickelt derzeit seinen strategischen Plan (2020–2024) mit Strategien, um ihn im Laufe der Zeit nachhaltiger zu gestalten, damit es seine eigenen Ressourcen generieren kann, sowie als Förderer und Fürsprecher für die Strategie im Bereich des interreligiösen Dialogs in Friedensförderung zu agieren.

Das IDFP arbeitet auch mit nationalen und lokalen Partnern zusammen, um den Wandel zu beeinflussen und das Bewusstsein für die Ähnlichkeiten der Menschlichkeit trotz sozialer, kultureller und religiöser Unterschiede zu schärfen. Darüber hinaus führt sie gezielte Interventionen durch, wie die Förderung der Prävention von Hassreden, die Förderung einer Erhöhung der Toleranz und die Förderung des sozialen Zusammenlebens.

Vor den nationalen Wahlen im Februar konzentrierte sich die IDFP auf die Verringerung der Wahlgewalt durch Schulungen und Medienarbeit, einschließlich eines weit verbreiteten Friedensaufrufs, der mit Millionen von Wählern über soziale Medien und nationale Fernsehsender geteilt wird. Es war ermutigend zu sehen, wie die Wahlen ohne viel Gewalt zu Ergebnissen führten und diesen demokratischen Prozess auf dem Kontinent noch immer bestärkten, wenn es einen gemeinsamen Willen dazu gibt. Dieses IDFP-Pilotmodell wird derzeit geprüft, um es in stärker formalisierte Frühwarn- und Frühreaktionsmechanismen umzuwandeln.

Darüber hinaus wurden regionale Friedensausschüsse, die in Partnerschaft mit dem Kukah-Zentrum eingerichtet wurden, in gewaltfreier Wahlberatung und -vermittlung geschult und dienen als Frühwarnsysteme in sechs nordöstlichen Bundesstaaten.

Schließlich finanzieren die kleinen Zuschüsse von KAICIID jedes Jahr Graswurzelinitiativen, die lokale Organisationen und Akteure in die Lage versetzen, Anti-Gewalt-Kampagnen durchzuführen und Religionsvertreter zu Themen wie der öffentlichen Politik und der Entwicklung der Gemeinschaft an einen Tisch zu bringen. Bisher wurden 14 Förderungen umgesetzt, von denen mehr als 4.000 Begünstigte in 13 Gemeinden betroffen waren.

Manchmal sind diese Aufgaben herausfordernd, aber dies sind einige Beispiele dafür, wie inmitten dieser unbeständigen Situation Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammenkommen und in der Tat Dinge zum Besseren wenden können. In der Hoffnung, dass wir leben und sterben, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Über den Autor:

Die internationale Karriere im Bereich der Entwicklung von Dr. Mohamed Safiullah Munsoor erstreckt sich über drei Jahrzehnte, unter anderem mit der Canadian International Development Agency, dem Islamic Solidarity Fund for Development, Save the Children (Norwegen) und den Vereinten Nationen. Während seiner Karriere arbeitete Dr. Munsoor in Asien, in der Pazifik-Region, in Afrika, im Nahen Osten und in Europa und deckte damit mehr als 20 Länder ab. Seine berufliche Tätigkeit konzentriert sich in erster Linie auf Armutsbekämpfung, Capacity Building, strategische Planung, Programmentwicklung und Management. Derzeit ist er bei KAICIID als Programmdirektor tätig. In dieser Funktion betreut er die Arbeit des Zentrums in der arabischen Region,  der Zentralafrikanische Republik, in Myanmar und in Nigeria.