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“Religionen im Dialog”: Vortrag von Dr. Lucian Reinfandt über Arabische und Griechische Papyri

16 Februar 2017

Das Internationale Dialogzentrum (KAICIID) hieß Dr. Lucian Reinfandt von der Papyrus-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, als aktuellsten Sprecher der monatlichen Vortragsreihe "Religionen im Dialog" willkommen. Dr. Reinfandt sprach unter dem Titel „Die arabischen Eroberungen im 7. Jahrhundert und der Dialog der Religionen heute“ über griechische und arabische Papyri aus jener Zeit und thematisierte die arabischen Eroberungen, welche neue Möglichkeiten für den interreligiösen Dialog eröffnen.

Als Nahost-Experte, Papyrologe und Gelehrter der frühen islamischen Geschichte erklärte Dr. Reinfandt, das Wien einen reichen Schatz birgt: Mit über 160.000 historischen Artefakten beheimatet die Papyrus-Sammlung und das Museum der österreichischen Nationalbibliothek die weltweit größte arabische Papyri Sammlung.

Dr. Reinfandt unterstrich die wichtige Rolle von Papyri: Papyrus stellt eines der wenigen Zeitfenster in die frühe Geschichte des Islam dar, da Papyri - zusammen mit Münzen, Inschriften und einigen wenigen architektonischen Überresten - als einzige verbleibende Informationsquelle über die arabischen Eroberungen im 7. Jahrhundert erhalten sind. Auf Papyrus niedergeschriebene Augenzeugenberichte von Muslimen und Anhängern anderer religiöser Überzeugungen berichten gleichermaßen über das Auftreten einer einzigartigen islamischen Theologie zu jener Zeit, die somit als historisch erwiesene Tatsache gesehen werden kann. Dies widerlegt die Ansprüche der revisionistischen Schule der islamischen Studie über die Ursprünge des Islam.

Als Grundlage für seinen Vortrag schlug Dr. Reinfandt vier Thesen und Anti-Thesen vor, wie man Religion aus einer Historikerperspektive betrachten kann:

  • Religionen sind historisch ('diesseitig') begründet. Deshalb müssen sie historisch gedacht werden (These);
  • Religionen bilden ein eigenes Feld jenseits des gesellschaftlichen Feldes - Es gibt religiöse Wahrheiten und weltliche Wahrheiten, die nicht vermischt werden sollen (Anti-These);
  • Entscheidend ist nicht die historische Wahrheit an sich, sondern der jeweilige Referenzrahmen, aus dem heraus die Vergangenheit beurteilt wird (These);
  • Die geschichtlichen Ereignisse sind entscheidendes Korrektiv für die heutige Diskussion innerhalb der Religionen und zwischen den Religionen (Anti-These).

Zum Abschluss der Präsentation zog Dr. Reinfandt drei Schlussfolgerungen für einen fruchtbaren interreligiösen Dialog:

  1. Religionen, wie wir sie heute kennen und praktizieren, müssen nicht unbedingt jenem Bild entsprechen, das ihre Gründer von ihnen gehabt haben;
  2. Religionen können sich regional in verschiedenen Formen zeigen;
  3. Die heute in Österreich ausgeübten Religionen können sich von der gleichen Religion unterscheiden, die in einem anderen Land praktiziert wird

Nach einer lebhaften Diskussionsrunde wurde die interessierte Öffentlichkeit zu einem kleinen Empfang geladen um den Dialog mit Dr. Reinfandt fortzuführen. Die Verpflegung wurde von "Habibi & Hawara", einem Sozialunternehmen in der Wipplingerstraße, zur Verfügung gestellt, welches anerkannten Flüchtlingen eine Arbeitsmöglichkeit bietet.

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